Mithilfe von E-Textilien können smarte Funktionen direkt am Körper getragen werden. Aber wie normale Bekleidung auch müssen sie gewaschen werden können. Sigrid Rotzler untersucht, wie tragbare E-Textilien für den Waschprozess optimiert werden können. Dabei wirkte sie an der Erarbeitung eines der weltweit ersten Standards zur Zuverlässigkeit von E-Textilien mit: IPC-8981, Quality and Reliability of E-Textile Wearables.
E-Textilien, also Textilien mit eingebetteten elektronischen Komponenten, bieten eine vielversprechende Lösung für Aufgaben in Bereichen wie Sport- und Medizintechnik oder Arbeitsschutz. Smarte Kleidungstücke können Trainingsfortschritte tracken, Patient*innendaten sammeln oder vor spezifischen Gefahrensituationen warnen. Dabei sind sie oftmals Belastungen ausgesetzt, die schon klassische Textilien vor Herausforderungen in Bezug auf Langlebigkeit und Tragekomfort stellen.
Wenn ein Kleidungstück zusätzlich mit Sensoren, Leiterplatten und -bahnen ausgestattet ist, wird jedoch auch etwas zu einem Problem, was sonst ohne große Schwierigkeiten machbar wäre: Es zu waschen. Vor diesem Hintergrund entstand mit IPC-8981 »Quality and Reliability of E-Textile Wearables« einer der ersten Standards zur Zuverlässigkeit und Waschbarkeit von E-Textilien.
IPC-8981, Quality and Reliability of E-Textile Wearables legt Kriterien und Testmethoden fest, mit deren Hilfe die Zuverlässigkeit und Haltbarkeit von E-Textilien unter verschiedenen mechanischen Belastungen wie beispielsweise Abrieb, Biegung und UV-Einwirkung – und Umweltbedingungen wie Schweiß, Waschen, Wasser/Salzwasser, Laugen und Säuren beurteilt werden kann.
Eine weitere wichtige Norm ist DIN EN ISO 6330, Textilien – Nichtgewerbliche Wasch- und Trocknungsverfahren zur Prüfung von Textilien. Sie ermöglicht eine Einschätzung der Waschbarkeit von Textilien und bietet auch eine Grundlage für Waschtests mit E-Textilien.
»Die große Herausforderung bei E-Textiles ist, dass sie mit elektronischen Komponenten bestückt sind, die sich nicht besonders gut dafür eignen, in der Waschmaschine zu sein. Sie sind nicht so weich, sie sind nicht so biegsam, sie können oxidieren, sie können brechen. Trotzdem müssen sie in die Waschmaschine«, erklärt Sigrid Rotzler, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe »System on Flex«. Hinzu kommt, dass die Schadensbilder nach dem Waschen nicht einheitlich sind: »Es kann sein, dass eine leitende Beschichtung abgelöst wird. Sehr dünne Drähte, die in den textilen Leitern sind, können brechen. Manche Leiter sind besonders anfällig für Knickbelastungen. Manche sind mehr anfällig für Zugbelastungen oder Temperaturwechsel.«

Typische Schadensbilder an E-Textilien nach mehrfachem Waschen. Insbesondere die mechanische Beanspruchung in der Waschmaschine setzt den Leiterbahnen zu. | © Fraunhofer IZM
Nicht nur die elektronischen Komponenten, sondern auch die Eigenschaften der textilen Substrate sind für die Waschbarkeit des Systemaufbaus von Bedeutung. So saugt sich Baumwolle mit Wasser voll, Kunstfasern hingegen sind eher wasserabweisend. Strickware ermöglicht eine freiere Formgebung, ist aber weich und kaum widerstandsfähig. All das hat auch Einfluss auf die eingebetteten elektronischen Komponenten.
Am Fraunhofer IZM forscht die Gruppe »System-on-Flex« schon seit über 20 Jahren an innovativen E-Textilien. Dafür sind die Labore mit umfangreichen Produktions- und Prüfmaschinen ausgestattet. So können Ingenieur*innen und Designer*innen gemeinsam Prototypen entwickeln, die nicht nur beim Tragen, sondern auch beim Waschen zuverlässig sind.
Im Rahmen der Expert Session Series »Electronic Solutions for Challenging Environments« präsentierte Sigrid Rotzler eine Versuchsreihe zur Waschbarkeit von E-Textilien. In ihrem Vortrag gibt sie wertvolle Einblicke in die Frage, wie und an welchen Stellen textilintegrierte Schaltkreise optimiert werden müssen, um deren Waschbarkeit zu verbessern. Es wurden die Wechselwirkungen zwischen den Textilien, den elektronischen Komponenten und der Montage untersucht.
Aufzeichnung der Online Expert Session »Hin zu waschbaren eTextilien: Einflussfaktoren auf die Waschsicherheit textilintegrierter Elektronik« vom 18. März 2025 | © Fraunhofer IZM
Die Entwicklung von E-Textilien ist ein sehr dynamisches Feld, in dem immer wieder neue Erfordernisse an Technologie und Material formuliert werden. Bisher konnte nur auf wenige Standards zurückgegriffen werde. Es herrscht Einigkeit, dass die mechanische Belastung, der E-Textilien im Waschprozess ausgesetzt sind, die meisten Schäden verursacht. Aber auch hohe Temperaturen, Bleichmittel und eine lange Waschdauer sind kritische Faktoren.

Der Sinnersche Kreis: Reinigungserfolg im Zusammenspiel von Mechanik, Dauer, Temperatur und Chemie | © Fraunhofer IZM
Ein klassisches Modell für die Faktoren, die den Waschprozess beeinflussen, ist der Sinnersche Kreis: Der Reinigungserfolg hängt von dem Zusammenspiel von Mechanik, Dauer, Temperatur und Chemie ab. Bei der Optimierung der Waschbarkeit von E-Textilien muss die Wirkung dieser Faktoren auf die elektronischen Komponenten bedacht werden.
»Vor diesem Hintergrund haben wir ein Waschtest-Protokoll entwickelt, das sich an der ISO-Norm 6330, eine textile Waschnorm, anlehnt. Damit haben wir verschiedene textile Substrate und unterschiedliche Schaltkreise gewaschen«, erläutert Sigrid Rotzler das Vorgehen. »Wir testen dann Parameter, die die Waschbarkeit kennzeichnen. Das kann z.B. eine Veränderung des Widerstands in einem Bauteil oder eine Einschränkung der Funktionalität sein. Dieses Testprotokoll kann bei hohen Anforderungen an die Zuverlässigkeit nochmal angepasst werden.« Die Ergebnisse zeigen deutlich: Das Waschverhalten von E-Textilien ist abhängig von vielen Faktoren und Wechselwirkungen.
Schadensbilder E-Textilien nach Waschversuchen: Von links nach rechts: Madeira (gestickte Leiter) – Verlust von leitender Beschichtung nach Waschversuchen (Ohne Übersticken nach 20 Zyklen); Elektrisola (Hybridleiter) – X-ray nach 100 Waschzyklen | © Fraunhofer IZM
Schadensbilder E-Textilien nach Waschversuchen: Von links nach rechts: TexPCB (textile Leiterplatten) – Verlust von Ag-Beschichtung nach Waschversuchen; Nanoleq (elastischer Hybridleiter) – Ergebnisse nach Waschversuchen: X-ray | © Fraunhofer IZM
Eine generelle Waschempfehlungen für E-Textilien kann Sigrid Rotzler nicht geben. Sie verweist auf eine »Erkenntnismatrix«, aus der bei der Entwicklung von E-Textilien geschöpft werden kann. Dazu muss klar sein, welche Anforderungen das Kleidungsstück erfüllen muss: »Wird es individuell angepasst oder ist es One-Size-Fits-All? Welche Sensoren werden verbaut und wo verlaufen Leiterbahnen? Muss es häufig und heiß gewaschen werden oder nur selten und schonend? Dann würde ich mich in diesem Fall eher für diese Leiter entscheiden und für jene Verarbeitungsmethode. Dann muss ich vielleicht diese Stelle verstärken oder einen Schutzmechanismus einbauen.« Um diese Erkenntnismatrix weiterzuentwickeln, stellen Sigrid Rotzlers Forschung und ihre Mitarbeit an der Entwicklung des neuen Standards IPC-8981 einen wichtigen Beitrag dar.
Termine vormerken:
Auch Zuverlässigkeit wird ein Thema der E-Textiles Conference 2025 sein, die vom 12. bis 14. November 2025 in Roubaix, Frankreich stattfindet. Sigrid Rotzler wird dort einen Vortrag halten. Bereits am 11. und 12. Juni findet in Boston die Konferenz Future of Electronics RESHAPED mit einem Beitrag von Gruppenleiter Malte von Krshiwoblozki statt.
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