Neues Konzept gegen Elektroschrott: Reparaturbonus setzt Anreize für umweltbewusstes Handeln

Der Reparaturbonus soll dazu beitragen, Elektroschrott zu reduzieren und Konsument*innen motivieren, ihre defekten Geräte reparieren zu lassen, anstatt sie zu entsorgen. | © stock.adobe-brudertack69

Jährlich werden tausende elektronische Konsumgüter entsorgt. Elektroschrott ist einer der am stärksten wachsenden Abfallströme. Doch viele elektronische Geräte, die entsorgt werden, haben ihre eigentliche Lebensdauer noch nicht erreicht. Der Reparaturbonus soll dem entgegenwirken. Er dient als finanzieller Anreiz, um Konsument*innen zu motivieren, defekte Elektrogeräte reparieren zu lassen.

In Thüringen und Sachsen gibt es den Bonus fürs Reparieren bereits. Im Auftrag des Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz (TMUEN) und der Verbraucherzentrale Thüringen (VZTH) hat das Fraunhofer IZM die Studie »Erweiterte ökologische Wirkungsabschätzung zum Reparaturbonus Thüringen« erstellt. 

Erik Poppe, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Environmental & Reliability Engineering, konnte nachweisen, dass der Reparaturbonus zu einer CO2-Emissioneinsparung und Minimierung des Elektroschrotts führt, die Wertschätzung der Reparaturdienstleistung von Betrieben fördert und das Thema Nachhaltige Kreislaufwirtschaft stärker in den Fokus der Gesellschaft rückt.

Am 1. September 2024 soll der Reparaturbonus in Berlin eingeführt werden. Nach Thüringen und Sachsen ist Berlin das dritte Bundesland, das einen finanziellen Anreiz für Konsument*innen schafft, ihre Elektrogeräte nicht auszusortieren, wenn sie beschädigt sind, sondern sie reparieren zu lassen.

Dass das Konzept funktioniert, konnte das Fraunhofer IZM nun durch eine Wirkungsabschätzung am Beispiel des Reparaturbonus Thüringens nachweisen. Ziel der Begleitstudie war es, die ökologischen und ökonomischen Effekte des Reparaturbonus und das Konsumverhalten der Verbraucher*innen zu untersuchen.

»Die Ergebnisse sind vielversprechen«, bestätigt Erik Poppe, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IZM. »Von 2021 bis 2023 wurden in Thüringen 33.288 Reparaturen durchgeführt, was zu einer Ersparnis von 2.971Tonnen CO2-eq und 390 Tonnen Elektroschrott führte. Das entspricht in etwa den Jahresemissionen von 275 deutschen Haushalten.«

Wenn die Lebensdauer von Elektronikgeräten durch Reparatur erhöht wird, steigt der CO2 Verbrauch deutlich langsamer an. | © Restart Project 2023

Warum die Reparatur von »Weißer Ware« so wichtig ist

Der Reparaturbonus wird in Thüringen vor allem für „Weiße Ware“ – hierzu zählen u.a. Waschmaschinen, Kühlschränke und Spülmaschinen – genutzt. Auf diese Produktgruppe entfielen 36% der Reparaturanfragen. Weiße Ware gehört zu den 17 Produktgruppen die in der Studie 99% des CO2-Vermeidungspotenzial ausmachten, wobei TV-Geräte und Flachbildschirme mit 14% an zweiter und Smartphones mit 8,2% an dritter Stelle standen.

Relative Verteilung aller Reparaturen zwischen 2021 – 2023. | © Fraunhofer IZM

Relative Verteilung aller Reparaturen zwischen 2021 – 2023 | © Fraunhofer IZM (Reparaturbonus Thüringen (N=30288))

Für Weiße Ware und Haushaltsgroßgeräte werden im Allgemeinen durchschnittlich 177 kg CO2-Vermeidung/Reparatur veranschlagt. Mit der hohen Anzahl an Reparaturen konnten allein in der Gruppe der Weißen Ware 1936 tCO2-eq. (was ca. 65% der potenziellen CO2-Vermeidung ausmacht) eingespart werden. TV-Geräte und Flachbildschirme lagen bei 413 tCO2 Einsparung und Smartphones, die nach der Weißen Ware mit 32% am zweithäufigsten repariert wurden, trugen hingegen nur 244 tCO2 zur CO2-Einsparung bei.

»Der Reparaturbonus zeigt vor allem bei Haushaltsgroßgeräten einen hohen Wirkungsgrad«, erklärt Erik Poppe. »Die Herstellung dieser Gerätekategorie ist material- und ressourcenaufwändig und fällt bei der Verlängerung des Lebenszyklus umso mehr ins Gewicht. Gerade für diese Geräte lohnt sich die Reparatur – und damit der Reparaturbonus – auch umwelttechnisch.«

Durch repräsentative Umfragen konnten die Forschenden feststellen, dass ein Großteil der Bevölkerung (ca. 67%) einen deutschlandweiten Reparaturbonus begrüßen und potentiell nutzen würde. Dafür muss die Beantragung jedoch möglichst unkompliziert und niederschwellig sein. Das sieht auch Erik Poppe so:

Positive Auswirkungen für Umwelt und Ökonomie

Der Thüringer Reparaturbonus zeigt vor allem im Bereich der Reparatur von Weißer Ware viel Potential, da dort mit einer Reparatur der Neukauf – und damit weitere Ressourcennutzung – mit hoher Wahrscheinlichkeit verhindert werden kann. Gleiches gilt für andere Haushaltsgroßgeräte wie TV-Geräte und Flachbildschirme. Smartphones hingegen tragen kaum zur Umweltentlastung bei, obwohl sie am zweithäufigsten repariert wurden.

Die gesammelten Daten weißen jedoch auch auf Schwachstellen hin. »Die unzureichende Datenlage macht eine vollständige Ökobilanzierung des Reparaturbonus in allen Bereichen unmöglich«, erklärt Erik Poppe. »Trotzdem sind die Daten die in Thüringen gesammelt wurden, im Hinblick auf das »Recht auf Reparatur« enorm wichtig. Zum ersten Mal wurden in einem größeren Umfang Marktdaten zu aktuellen Reparaturkosten erhoben. Diese werden vor allem bei der weiteren Ausgestaltung der Richtlinie stärker in den Fokus rücken.«

Auch für die Standardisierung und Ausgestaltung von neuen EU-Ökodesignrichtlinien liefern die gewonnenen Daten neue, wichtige Erkenntnisse. Die Studie und ihre Ergebnisse und Methodologie können als Basis für weitere Forschungen dienen und dabei helfen, einheitliche Prozesse für die Bewertung von umweltbezogenem Konsum von Elektrogeräten zu etablieren.

Einführung des Reparaturbonus in Berlin – ein Ausblick

Auch für die Einführung des Reparaturbonus in Berlin sind die Ergebnisse vielversprechend.

  • Flexible Antragstellung
    Konsumer*innen präferieren eine einfache, niedrigschwellige Antragsstellung, im Idealfall Online von zu Hause oder direkt Vor-Ort bei den Betrieben.
  • Festlegung des Fördervolumens
    Gefördert wird zurzeit nur solange, wie Fördergelder vorhanden sind. Mit mehr Gesamtvolumen könnte stärker und langfristiger gefördert werden, weshalb ein Ziel die Einführung von objektiven Kriterien zur Festlegung des Fördervolumens sein sollte.
  • Flexible Förderbeträge je Produktkategorie
    Der Thüringer Reparaturbonus zeigt, dass vor allem bestimmte Produktkategorien öfter repariert werden, als andere (und das deren Umweltentlastung signifikant unterscheidet). Unterschiedliche Förderbeträge sollten daher für unterschiedliche Produktkategorien erarbeitet werden, mit einem Fokus auf den stärkeren Vorrang in der Förderung für Produkte deren Umweltentlastung höher ist.
  • Einführung eines langfristigen, deutschlandweiten Reparaturbonus
    Ein deutschlandweiter, langfristig geförderter Reparaturbonus würde nicht nur einen ökologischen Mehrwert haben, sondern auch den Forderungen der Verbraucherschutzminister*innen Konferenz und den Empfehlungen der EU-Kommissionen entsprechen.²

¹Quelle:
»Förderprogramm zur Umsetzung des Pilotprojekts
„Repara
turBONUS“ in Berlin«

Alle Angaben zum Stand 20. September 2024 ohne Gewähr. Änderungen und Irrtümer vorbehalten.

² Quelle:
VSMK: Ergebnisprotokoll der 19. Sitzung der Verbraucherschutzministerkonferenz am 30. Juni 2023 in Konstanz, S. 34-35: https://www.verbraucherschutzministerkonferenz.de/documents/ergebnisprotokoll-19-vsmk_oeffentlich_18-07-2023_1689678836.pdf

Europäisches Parlament, 23.04.2024: Recht auf Reparatur: Reparieren einfacher und attraktiver machen: https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20240419IPR20590/recht-auf-reparatur-reparieren-einfacher-und-attraktiver-machen  


Erik Poppe | © Erik Poppe

Erik Poppe

Erik Poppe arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Ökobilanzierer seit 2021 am Fraunhofer IZM. Seine Expertise liegt in der Bewertung von Produktlebensdauern, vorzeitiger Obsoleszenz und Recht auf Reparatur.

Katja Arnhold, Fraunhofer IZM

Katja Arnhold

Katja Arnhold ist redaktionell verantwortlich für den RealIZM-Blog des Fraunhofer IZM.

Katja hat 20 Jahre Erfahrung in der Unternehmenskommunikation und im B2B-Marketing. Sie arbeitete u.a. für zwei private Wetterdienstleister und den Weltmarktführer für alkoholische Premium-Getränke. Sie studierte Kommunikations- und Medienwissenschaften, Betriebswirtschaftslehre und Psychologie an der Universität Leipzig, hat einen Masterabschluss und ist Mitglied im Leipziger Public Relations Studentenverband (LPRS).

Autorenprofil Enrica Theuke | © Enrica Theuke

Enrica Theuke

Enrica Theuke ist seit Mai 2023 als Werkstudentin am Fraunhofer IZM beschäftigt und Teil des RealIZM Blog-Teams. Sie unterstützt beim Verfassen von Blogartikeln, der Recherche zu verschiedensten Themen und der Vorbereitung und Durchführung von Interviews. Zurückgreifen kann sie dabei auf ihr Studium in Kulturwissenschaften und Gender Studies, dass sie zurzeit an der Humboldt-Universität zu Berlin absolviert, sowie auf ihren Bachelor in Industriedesign von der Hochschule Magdeburg-Stendal.

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