Jährlich werden tausende elektronische Konsumgüter entsorgt. Elektroschrott ist einer der am stärksten wachsenden Abfallströme. Doch viele elektronische Geräte, die entsorgt werden, haben ihre eigentliche Lebensdauer noch nicht erreicht. Der Reparaturbonus soll dem entgegenwirken. Er dient als finanzieller Anreiz, um Konsument*innen zu motivieren, defekte Elektrogeräte reparieren zu lassen.
In Thüringen und Sachsen gibt es den Bonus fürs Reparieren bereits. Im Auftrag des Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz (TMUEN) und der Verbraucherzentrale Thüringen (VZTH) hat das Fraunhofer IZM die Studie »Erweiterte ökologische Wirkungsabschätzung zum Reparaturbonus Thüringen« erstellt.
Erik Poppe, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Environmental & Reliability Engineering, konnte nachweisen, dass der Reparaturbonus zu einer CO2-Emissioneinsparung und Minimierung des Elektroschrotts führt, die Wertschätzung der Reparaturdienstleistung von Betrieben fördert und das Thema Nachhaltige Kreislaufwirtschaft stärker in den Fokus der Gesellschaft rückt.
Am 1. September 2024 soll der Reparaturbonus in Berlin eingeführt werden. Nach Thüringen und Sachsen ist Berlin das dritte Bundesland, das einen finanziellen Anreiz für Konsument*innen schafft, ihre Elektrogeräte nicht auszusortieren, wenn sie beschädigt sind, sondern sie reparieren zu lassen.
Dass das Konzept funktioniert, konnte das Fraunhofer IZM nun durch eine Wirkungsabschätzung am Beispiel des Reparaturbonus Thüringens nachweisen. Ziel der Begleitstudie war es, die ökologischen und ökonomischen Effekte des Reparaturbonus und das Konsumverhalten der Verbraucher*innen zu untersuchen.
»Die Ergebnisse sind vielversprechen«, bestätigt Erik Poppe, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IZM. »Von 2021 bis 2023 wurden in Thüringen 33.288 Reparaturen durchgeführt, was zu einer Ersparnis von 2.971Tonnen CO2-eq und 390 Tonnen Elektroschrott führte. Das entspricht in etwa den Jahresemissionen von 275 deutschen Haushalten.«
Wenn die Lebensdauer von Elektronikgeräten durch Reparatur erhöht wird, steigt der CO2 Verbrauch deutlich langsamer an. | © Restart Project 2023
Warum die Reparatur von »Weißer Ware« so wichtig ist
Der Reparaturbonus wird in Thüringen vor allem für „Weiße Ware“ – hierzu zählen u.a. Waschmaschinen, Kühlschränke und Spülmaschinen – genutzt. Auf diese Produktgruppe entfielen 36% der Reparaturanfragen. Weiße Ware gehört zu den 17 Produktgruppen die in der Studie 99% des CO2-Vermeidungspotenzial ausmachten, wobei TV-Geräte und Flachbildschirme mit 14% an zweiter und Smartphones mit 8,2% an dritter Stelle standen.
Relative Verteilung aller Reparaturen zwischen 2021 – 2023 | © Fraunhofer IZM (Reparaturbonus Thüringen (N=30288))
Für Weiße Ware und Haushaltsgroßgeräte werden im Allgemeinen durchschnittlich 177 kg CO2-Vermeidung/Reparatur veranschlagt. Mit der hohen Anzahl an Reparaturen konnten allein in der Gruppe der Weißen Ware 1936 tCO2-eq. (was ca. 65% der potenziellen CO2-Vermeidung ausmacht) eingespart werden. TV-Geräte und Flachbildschirme lagen bei 413 tCO2 Einsparung und Smartphones, die nach der Weißen Ware mit 32% am zweithäufigsten repariert wurden, trugen hingegen nur 244 tCO2 zur CO2-Einsparung bei.
»Der Reparaturbonus zeigt vor allem bei Haushaltsgroßgeräten einen hohen Wirkungsgrad«, erklärt Erik Poppe. »Die Herstellung dieser Gerätekategorie ist material- und ressourcenaufwändig und fällt bei der Verlängerung des Lebenszyklus umso mehr ins Gewicht. Gerade für diese Geräte lohnt sich die Reparatur – und damit der Reparaturbonus – auch umwelttechnisch.«
Durch repräsentative Umfragen konnten die Forschenden feststellen, dass ein Großteil der Bevölkerung (ca. 67%) einen deutschlandweiten Reparaturbonus begrüßen und potentiell nutzen würde. Dafür muss die Beantragung jedoch möglichst unkompliziert und niederschwellig sein. Das sieht auch Erik Poppe so:
»Mit dem Reparaturbonus steht der öffentlichen Hand ein neues Instrument zur Verfügung, um Reparaturen im Rahmen von R2R niederschwellig und breitenwirksam zu fördern. Das Interesse ist groß, die bisherige Bilanz kann sich sehen lassen. Aber es gibt einen Punkt, den ich persönlich abseits aller Berechnungen und Forschung für gut halte: Im Gegensatz zu manch anderen Umweltprämien (Auto, Solar, Haus) ist es eine Maßnahme für alle, denn jeder hat früher oder später ein defektes Elektrogerät im Haus und der Reparaturbonus kann hier den Schubs in die richtige Richtung geben.«
Positive Auswirkungen für Umwelt und Ökonomie
Der Thüringer Reparaturbonus zeigt vor allem im Bereich der Reparatur von Weißer Ware viel Potential, da dort mit einer Reparatur der Neukauf – und damit weitere Ressourcennutzung – mit hoher Wahrscheinlichkeit verhindert werden kann. Gleiches gilt für andere Haushaltsgroßgeräte wie TV-Geräte und Flachbildschirme. Smartphones hingegen tragen kaum zur Umweltentlastung bei, obwohl sie am zweithäufigsten repariert wurden.
Die gesammelten Daten weißen jedoch auch auf Schwachstellen hin. »Die unzureichende Datenlage macht eine vollständige Ökobilanzierung des Reparaturbonus in allen Bereichen unmöglich«, erklärt Erik Poppe. »Trotzdem sind die Daten die in Thüringen gesammelt wurden, im Hinblick auf das »Recht auf Reparatur« enorm wichtig. Zum ersten Mal wurden in einem größeren Umfang Marktdaten zu aktuellen Reparaturkosten erhoben. Diese werden vor allem bei der weiteren Ausgestaltung der Richtlinie stärker in den Fokus rücken.«
Auch für die Standardisierung und Ausgestaltung von neuen EU-Ökodesignrichtlinien liefern die gewonnenen Daten neue, wichtige Erkenntnisse. Die Studie und ihre Ergebnisse und Methodologie können als Basis für weitere Forschungen dienen und dabei helfen, einheitliche Prozesse für die Bewertung von umweltbezogenem Konsum von Elektrogeräten zu etablieren.
Einführung des Reparaturbonus in Berlin – ein Ausblick
Auch für die Einführung des Reparaturbonus in Berlin sind die Ergebnisse vielversprechend.
Seit dem 17. September 2024 können Berliner*innen den Reparaturbonus online beantragen. Die Antragsfrist läuft vom 17.09.2024 bis zum 31.12.2024.
Gefördert werden zum einen die Reparatur durch einen Fachbetrieb (50% der Reparaturkosten wovon die Rechnungssumme mindestens 75 Euro betragen muss; max. 200€ insgesamt pro Person) ODER der Kauf von Ersatzteilen und die Reparatur in einem Repair-Café oder einer Reparatur-Initiative (100% der Ersatzteilkosten; max. 200€ insgesamt pro Person).
Gefördert wird die Reparatur von haushaltsüblichen Elektro- und Elektronikgeräten.¹
- Flexible Antragstellung
Konsumer*innen präferieren eine einfache, niedrigschwellige Antragsstellung, im Idealfall Online von zu Hause oder direkt Vor-Ort bei den Betrieben. - Festlegung des Fördervolumens
Gefördert wird zurzeit nur solange, wie Fördergelder vorhanden sind. Mit mehr Gesamtvolumen könnte stärker und langfristiger gefördert werden, weshalb ein Ziel die Einführung von objektiven Kriterien zur Festlegung des Fördervolumens sein sollte. - Flexible Förderbeträge je Produktkategorie
Der Thüringer Reparaturbonus zeigt, dass vor allem bestimmte Produktkategorien öfter repariert werden, als andere (und das deren Umweltentlastung signifikant unterscheidet). Unterschiedliche Förderbeträge sollten daher für unterschiedliche Produktkategorien erarbeitet werden, mit einem Fokus auf den stärkeren Vorrang in der Förderung für Produkte deren Umweltentlastung höher ist. - Einführung eines langfristigen, deutschlandweiten Reparaturbonus
Ein deutschlandweiter, langfristig geförderter Reparaturbonus würde nicht nur einen ökologischen Mehrwert haben, sondern auch den Forderungen der Verbraucherschutzminister*innen Konferenz und den Empfehlungen der EU-Kommissionen entsprechen.²
Reparaturboni sind finanzielle Anreizsysteme, die Bürger*innen dazu ermutigen sollen, defekte oder beschädigte Gegenstände reparieren zu lassen, anstatt sie wegzuwerfen und durch neue zu ersetzen. Reparaturboni können über direkte Zuschüsse, Rabatte oder Gutscheine ausgezahlt werden und erfolgen meist auf politischen Willen der einzelnen Länder.
Reparaturboni gibt es unter anderem in Österreich und Frankreich und seit 2021 auch in Deutschland, wo das Projekt unter dem Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz (TMUEN) und der Verbraucherzentrale Thüringen (VZTH) in Auftrag gegeben wurde. 2023 trat ein Reparaturbonus in Sachsen in Kraft, für 2024 wird ein Bonus für Berlin vorbereitet.
¹Quelle:
»Förderprogramm zur Umsetzung des Pilotprojekts
„ReparaturBONUS“ in Berlin«
Alle Angaben zum Stand 20. September 2024 ohne Gewähr. Änderungen und Irrtümer vorbehalten.
² Quelle:
VSMK: Ergebnisprotokoll der 19. Sitzung der Verbraucherschutzministerkonferenz am 30. Juni 2023 in Konstanz, S. 34-35: https://www.verbraucherschutzministerkonferenz.de/documents/ergebnisprotokoll-19-vsmk_oeffentlich_18-07-2023_1689678836.pdf
Europäisches Parlament, 23.04.2024: Recht auf Reparatur: Reparieren einfacher und attraktiver machen: https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20240419IPR20590/recht-auf-reparatur-reparieren-einfacher-und-attraktiver-machen
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