Metamaterialien sind eine der Zukunftstechnologien, in denen die Forschung großes Potenzial für die Weiterentwicklung von Radar und Kommunikationssysteme der nächsten Generation sieht. Denn sie können speziell für bestimmte Anwendungsszenarien hergestellt und optimiert werden.
Bisher kaum erforscht ist jedoch der Einsatz von Metamaterialien in MIMO-Antennen im Hochfrequenzbereich zwischen 30 und 100 GHz. Eine Technologie, die für die Entwicklung von kommenden Mobilfunkstandards eine wichtige Rolle spielen wird.
In Kooperation mit dem Fraunhofer IZM arbeitet Robert Stöcker im Rahmen seiner Dissertation »On integration of metasurfaces and antenna arrays from millimeter waves and sub-terahertz wireless« an genau diesem Thema. Sein Ziel ist es, genaue Modellierungen der Materialien zu erstellen und so ihre Verwendbarkeit in den Antennensystem im Hochfrequenzbereich nachzuweisen.
Metamaterialien bieten viel Potenzial. Vor allem im Bereich der Optik versprechen sich Forschende zukünftig neue Anwendungsmöglichkeiten durch die Nutzung dieser Technologie.
Metamaterialien sind eine Materialklasse, die Eigenschaften aufweist, die über die Eigenschaften natürlicher Materialien hinausgehen, wie z. B. anomale Reflexion oder Brechung. Die Metamaterialien werden aus gewöhnlichen Metallen und elektrischen Isolatoren bzw. Dielektrika hergestellt. Wenn eine elektromagnetische Welle auf ein Metamaterial auftrifft, verändert ein vorbestimmter Gradient im Material die Phase und andere Eigenschaften der Welle, so dass die Wellenfront gebogen und der Strahl wie gewünscht umgelenkt werden kann.
»Metamaterial« ist sowohl der Überbegriff, als auch die Bezeichnung für dreidimensionale Strukturen in der Materialklasse, während zweidimensionale Strukturen als »Metasurfaces« bezeichnet werde.
Vielversprechend sind ihre Eigenschaften jedoch auch für die Radartechnologie. Mit dem Aufbau der Mobilfunkgeneration 6G steigt die Notwendigkeit, höhere Frequenzen für die Datenübertragung zu nutzen. Ein wichtiger Technologiebaustein in diesem Ausbau sind MIMO-Antennen.
MIMO steht für »Multiple Input Multiple Output« (Mehrfacheingabe-Mehrfachausgabe). MIMO ist ein Übertragungsverfahren, bei dem mehrere Empfangs- und Sendeantennen zur Kommunikation genutzt werden. Die MIMO-Technik kommt bei verschiedenen Standards bereits zur Anwendung z.B.:
- 5G (3,2 GHz bis 3,8 GHz)
- LTE (4G)
- WLAN 2408 MHz bis 2480 MHz
- WLAN 5150 MHz bis 5850 MHz
- (Potenziell 6G)
Mithilfe von MIMO werden zwei von der Basisstation getrennt abgestrahlte Datenströme gleichzeitig empfangen, was im Idealfall die Datenrate verdoppelt.
Entkopplung von Antennen: Metamaterialien als Lösung für Mutual Coupling in MIMO-Systemen
MIMO eröffnet zahlreiche Möglichkeiten, da auf bereits existierende Systeme im Aufbau zurückgegriffen werden kann. Während die Theorie davon ausgeht, dass alle Antennen voneinander entkoppelt agieren, sieht die Realität anders aus:
»Ein Problem, bei dem wir mit MIMO konfrontiert sind, ist das ›Mutual Coupling‹«, erklärt Robert Stöcker, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IZM. »Je höher der verwendete Frequenzbereich, desto stärker werden die parasitären Effekte – Signalfelder streuen oder Eigenresonanzen entstehen in der Struktur. Beim ›Mutual Coupling‹ entsteht eine gegenseitige Kopplung, das heißt eine elektromagnetische Wechselwirkung zwischen den Antennenelementen in einem Array, da sie sehr nah beieinander liegen. Signale, die eigentlich abgestrahlt werden sollten, werden von einer benachbarten Antenne absorbiert. Ebenso werden Signale, die von einer Antenne hätten aufgefangen werden können, stattdessen von einer nahe gelegenen Antenne absorbiert. Dies führt zu einem verminderten Antennenwirkungsgrad sowohl im Sende- als auch im Empfangsbetrieb.«
Mutual Coupling stört außerdem das Strahlungsdiagramm der Antenne. Vor allem in Antennenarrays, wie sie in MIMO-Antennensystemen verwendet werden. Wenn die von allen Antennen im Array empfangene Energie stark korreliert ist, handelt es sich nicht wirklich um ein Antennenarray. Stattdessen funktioniert das Array eher wie eine einzige große Antenne, was die Strahlensteuerung sehr viel weniger effektiv macht.
Eine nahe gelegene Empfangsantenne stört eine Sendeantenne und reduziert einen Teil der abgestrahlten Energie. | © Fraunhofer IZM
Um in einem Frequenzbereich zu arbeiten, wie Robert Stöcker ihn in seiner Dissertation untersucht – in dem die parasitären Effekte deutlich stärker zum Tragen kommen – bedarf es daher Lösungen für diese Störungen.
»Wir haben bereits Erfolge mit Metamaterialien in Niedrigfrequenzbereichen bis 10 GHz erzielt. Die Entkoppelung wurde verstärkt. In meiner Dissertation versuche ich, diese Effekte nun im Hochfrequenzbereich zu wiederholen und dafür Modellierungen aufzubauen.«
Effiziente MIMO-Systeme durch Metamaterialien: Herausforderungen und Lösungen in der Forschung
Mithilfe der Metamaterialien kann das Strahlungsverhalten der Antennen gezielt gelenkt oder beeinflusst werden. Metamaterialien existieren für verschiedenste Anwendungsbereiche. Für Antennensysteme wird vor allem mit fraktalen und polarisierenden Strukturen gearbeitet. Fraktale Strukturen sind in der Lage, breitbandige und Multi-Frequenz-Band-Leistungen in den Bereichen Abschirmung, Absorption und Übertragung zu erzielen. Polarisierende Strukturen können Richtung, Phase und Polarisierung eines Signals verändern. Robert Stöcker untersucht in seiner Dissertation drei verschiedene Metamaterialien genauer: Polarisierende Strukturen, Fraktale Strukturen und Electronic-Bandgap-Strukturen (EGB).
Um die MIMOs so kompakt wie möglich zu halten, arbeitet man größtenteils mit »Metasurfaces«. Diese zweidimensionalen Strukturen lassen sich in das Packaging leichter integrieren und sind letztendlich auch schneller und kosteneffizienter herzustellen. Metamaterialien können direkt in das Substrat integriert werden (zur Polarisierung) oder als eigenständige Komponente zwischen anderen Elementen eingesetzt werden. (z.B. zur Abschirmung). Trotzdem haben auch Metamaterialien ihre Herausforderungen. Da sie zum Teil aus Metallen bestehen, strahlen sie ebenfalls. Diese zusätzliche Strahlung kann letztendlich das Strahlungsdiagramm der MIMO-Antenne verändern.
»Wie man zukünftig mit dieser inhärenten Strahlung umgeht, soll auch in meiner Dissertation Beachtung finden«, fügt Robert Stöcker an. »Da die parasitären Effekte in höheren Frequenzbereichen nur zunehmen, ist es wichtig, mögliche Lösungen schon während der Modellierungen einzuplanen und später in Aufbauten und Versuchsreihen auszutesten.«
Pionierarbeit am Fraunhofer IZM: Metamaterialien in MIMO-Systemen
Robert Stöckers Dissertation ist zurzeit das einzige Projekt, an dem das Fraunhofer IZM beteiligt ist, das sich mit Metamaterialien in MIMO-System auseinandersetzt. Die Modelle, an denen der Forscher arbeitet, sollen nicht nur für die institutseigenen Projekte weiterverwendet werden. Sie sollen auch Industriekunden aufzeigen, wie sich verschiedene Metamaterialien verhalten und wie eine Hardware-Umsetzung aussehen könnte. Vor allem für Telekommunikationsunternehmen, die am Ausbau des Mobilfunkstandards arbeiten, dürfte diese Technik in Zukunft interessant sein.
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