UNDRESS – Circularity: Zirkuläre Geschäftsmodelle für Elektronikprodukte und was sie wirklich bringen

Headerbild UNDRESS-Circularity | © Stock.adobe.com – V.Semeniuk | Fraunhofer IZM

Zirkuläre Geschäftsmodelle haben das Potenzial, diesem Trend entgegenzuwirken. Doch ob Leistungen wie das Refurbishing oder Leasing tatsächlich einen positiven Einfluss auf die Umweltauswirkungen von Elektrogeräten haben, ist mit der aktuellen Datenlage nicht genau bestimmbar.

Diese Daten auszuwerten und Hinweise für die zukünftige Bewertung zirkulärer Geschäftsmodelle zu entwickeln, ist das Ziel des Projektes UNDRESS – Circularity. Das Projekt untersucht das Nutzungsverhalten von Konsumer*innen und versucht eine Antwort auf die Frage zu liefern, ob diese Modelle zu einer längeren Nutzungsdauer von Geräten – und damit zu mehr Nachhaltigkeit – führen.

Zirkuläre Geschäftsmodelle sind heutzutage mehr und mehr ein Begriff. Wenn es um Elektronikprodukte wie Smartphones oder Tablets geht, setzen viele bei der Anschaffung von Geräten wie Smartphones oder Tablets auf diese Strategien.

Von diesen Geschäftsmodellen sind vor allem das »Refurbishment«, der Second-Hand-Verkauf oder das »Leasing« sind bei Konsumer*innen vertreten. Ein steigendes Umweltbewusstsein ist für viele ein Grund für diese Entscheidung – aussortierte Elektronikartikel gehören zu den am schnellsten wachsenden Abfallströmen, der bis 2050 voraussichtlich auf 120 Millionen Tonnen pro Jahr ansteigen könnte.

Ob zirkuläre Geschäftsmodelle diesem Trend wirklich entgegenwirken können, lässt sich mit der aktuellen Datenlage jedoch nicht eindeutig feststellen.

Wie der Name es bereits andeutet, wirft das Projekt UNDRESS – Circularity einen Blick hinter die Kulissen. Das Projekt zielt darauf ab, die praktischen Potenziale zirkulärer Geschäftsmodelle zu analysieren, indem Daten direkt mit an diesen Geschäftsmodellen beteiligten Unternehmen erhoben und ausgewertet werden. Anstatt nur theoretische Konzepte zu diskutieren, nutzen die Forscher*innen echte Zahlen zu Reparaturquoten, Mietdauern, o.ä., um herauszufinden, ob diese Modelle tatsächlich zu einer verlängerten Nutzungsdauer von Geräten führen.

Um mehr über zirkuläre Geschäftsmodelle zu erfahren und einen genauen Überblick über die Datenlage zu erhalten, kamen die Forscher*innen des Projektes UDDRESS – Circularity mit verschiedenen, assoziierten Partnern in Workshops zusammen. | © Circularity EV.

Schwierige Datenanalyse durch verschränkte Unternehmensprozesse

Um eine möglichst aussagekräftige Statistik zu erstellen, nutzt das Projekt für die Datenerhebung eine Kombination aus Marktumfragen und Datenerhebung bei Partnerunternehmen. Die Forscher*innen konzentrierten sich auf vier Produktgruppen: Smartphones, Laptops, Kameras und Spielekonsolen. Sie untersuchen, wie diese Geräte genutzt und verwaltet werden.

»Eine Herausforderung, auf die wir während der Datenerhebung gestoßen sind«, erklärt Dr.-Ing. Marina Proske, Leiterin der Gruppe »Life Cycle Modelling« in der Abteilung »Environmental & Reliability Engineering« am Fraunhofer IZM, »besteht darin, dass viele Unternehmen gar nicht alle relevanten Daten erfassen oder in ihrem Einflussbereich liegen. Außerdem ist die Analyse dadurch erschwert, dass viele Prozesse nicht unabhängig voneinander existieren. Viele Unternehmen arbeiten eng miteinander zusammen, Modelle verschwimmen miteinander.«

Zirkulär bedeutet nicht immer nachhaltig

Ein zentraler Punkt des Projekts ist die Erkenntnis, dass zirkuläre Geschäftsmodelle nicht automatisch nachhaltiger sind. So kann häufige Aufbereitung und langer Transport von Geräten zu einem höheren ökologischen Fußabdruck als beim Kauf neuer Geräte führen, da auch hierbei Treibhausgase erzeugt und andere Rohstoffe verbraucht werden.

Gleichzeitig führen nicht alle zirkulären Geschäftsmodelle tatsächlich zu einer längeren Nutzung, sondern können im schlimmsten Fall sogar schnellen Ersatz befeuern, weil der Zugang leichter und die finanzielle Verpflichtung geringer ist.

Unterschiedliche Märkte und Kundengruppen können außerdem unterschiedliche Anforderungen an zirkuläre Geschäftsmodelle haben.

»Im ersten Bericht, dem Circularity Report ›From Consumer Insight to Circular Impact Market Report of Circular Business Models in the Electronics Market in Germany‹, haben wir daher eine Unterscheidung zwischen Business-to-Consumer (B2C) und Business-to-Business (B2B) vorgenommen. Die Ergebnisse gaben uns nicht nur Einblicke in das Nutzungsverhalten, sondern lieferten auch erste Anhaltspunkte für den Industry Report, der am Ende des Projektes veröffentlich und neben Schlüsselerkenntnissen auch Auswertungstools und Leitlinien für zirkuläre Geschäftsmodelle enthalten soll«, führt Proske weiter aus.

Für die Business-to-Consumer (B2C) und Business-to-Business (B2B) Märkte ergeben sich aus der Datenerhebung unterschiedliche Schwerpunkte und Erkenntnisse.

Business-to-Consumer

  • Adoption: 20% der Verbraucher*innen haben bereits ein gebrauchtes Gerät erworben, während nur 1% Geräte mieten. Ein Grund für den geringen Anteil von Mietmodellen ist, dass viele Verbraucher*innen es bevorzugen, ihr Gerät zu besitzen.
  • Nachhaltigkeitsbewusstsein: Nachhaltigkeitsbewusste Verbraucher*innen sind die Haupttreiber des Second-Hand-Marktes.
  • Kaufkriterien: Preis, Garantie und Bequemlichkeit sind entscheidende Faktoren für Kaufentscheidungen.
  • Potenzial: Altgeräte zu verkaufen (23%), anstatt sie selbst als Back-Ups zu lagern (21%), wird ebenfalls verstärkt in Anspruch genommen. Dies ist für zirkuläre Geschäftsmodelle interessant, da es die Rückführung ankurbeln und damit die Lebensdauer der Geräte verlängern könnte.

Business-to-Business

  • Adoption: 30% der Unternehmen kaufen gebrauchte Geräte, und 11% nutzen Mietmodelle.
  • Nachhaltigkeitsbewusstsein: Für große Unternehmen ist Nachhaltigkeit das wichtigste Kriterium bei der Beschaffung von IT-Geräten.
  • Kaufkriterien: Flexibilität – das heißt der schnelle Austausch von Geräten und der Zugang zu neuester Software – ist mit 60% das wichtigste Kriterium.
  • Potenzial: Die meisten Unternehmen (70 %) recyceln ihre ungenutzten Geräte, doch ein erheblicher Anteil (60 %) lagert Smartphones und Laptops ein. Eine bessere Strategie für die Wiedernutzung von Geräten aus Unternehmerpools bietet daher ein großes Potenzial für die Verlängerung der Nutzungsdauer von Geräten.

Nutzungsverhalten hinterfragen: Innovative Ansätze für zirkuläre Modelle

»Die wichtigste Schlussfolgerung, die wir zu diesem Zeitpunkt aus dem Projekt gezogen haben ist, dass es wichtig ist, die Geräte so lange wie möglich zu nutzen. Smartphones und Tablets werden oft auf einer sehr individuellen Basis kontinuierlich genutzt. Für weniger häufig genutzte Geräte, wie z.B. Kameras oder Spielekonsolen, könnten zirkuläre Modelle jedoch vielversprechender sein. Ein Modell, das für jedes Nutzungsverhalten passend ist, wird nur schwer realisierbar sein. Aber mit unserer Umweltanalyse können wir Unternehmen zukünftig ein Werkzeug an die Hand geben, mit dem sie ihre eigenen Geschäftsstrategien genauer analysieren und verbessern können.«

UNDRESS – Circularity befindet sich in der letzten Phase des Projektes. Bis März 2025 wird neben dem Circularity Report ein Industry Report erstellt, in dem alle gesammelten Daten zusammengetragen und zu einer Leitlinie ausgearbeitet werden.

»Für mich hat UNDRESS – Circularity gezeigt, wie komplex die Welt der zirkulären Geschäftsmodelle ist. Das Projekt fordert auf, das eigene Nutzungsverhalten zu hinterfragen und innovative Ansätze für die Zukunft zu betrachten. Die Ergebnisse könnten nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Verbraucher*innen von großem Interesse sein, die nachhaltige Alternativen in Betracht ziehen.«



Quellen:

Circularity Report »From Consumer Insight to Circular Impact Market Report of Circular Business Models in the Electronics Market in Germany«

Marina Proske, Fraunhofer IZM

Dr.-Ing. Marina Proske

Dr.-Ing. Marina Proske ist seit 2011 am Fraunhofer IZM beschäftigt und leitet seit 2023 die Gruppe »Life Cycle Modelling« in der Abteilung »Environmental & Reliability Engineering«. Ihr Fachgebiet am Institut sind Ökobilanzen (LCA) und Carbon Footprints von Elektronikkomponenten, -produkten und -systemen. Sie arbeitete außerdem als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Technische Universität Berlin als Mitglied der Forschungsgruppe "Obsoleszenz als Herausforderung für Nachhaltigkeit".

Sie studierte Technischen Umweltschutz and der TU Berlin und promovierte zu Obsoleszenz von Elektronik im Kontext von Umweltbewertungen.

Autorenprofil Enrica Theuke | © Enrica Theuke

Enrica Theuke

Enrica Theuke ist seit Mai 2023 als Werkstudentin am Fraunhofer IZM beschäftigt und Teil des RealIZM Blog-Teams. Sie unterstützt beim Verfassen von Blogartikeln, der Recherche zu verschiedensten Themen und der Vorbereitung und Durchführung von Interviews. Zurückgreifen kann sie dabei auf ihr Studium in Kulturwissenschaften und Gender Studies, dass sie zurzeit an der Humboldt-Universität zu Berlin absolviert, sowie auf ihren Bachelor in Industriedesign von der Hochschule Magdeburg-Stendal.

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