In einer Welt, in der technologische Innovationen und Umweltbewusstsein Hand in Hand gehen müssen, spielt das Fraunhofer IZM-ASSID eine führende Rolle bei der Entwicklung nachhaltiger Reinigungsmethoden beim Wafer Level Packaging. Im Rahmen des Forschungsprojekts »Green ICT« setzen sich die Wissenschaftler*innen dafür ein, gefährliche und umweltschädliche Prozesschemikalien durch umweltfreundlichere Alternativen zu ersetzen.
Dr. Maksym Myndyk, Experte für die Reinigung von Wafern am Fraunhofer IZM-ASSID, erläutert worauf es bei der Prozessanalyse und Substitution von für Mensch und Umwelt gefährlichen Werkstoffen in der Halbleiterfertigung ankommt.
Im Forschungsprojekt »Green ICT« verantwortet das Fraunhofer IZM-ASSID die Etablierung alternativer Reinigungsmethoden in der Nasschemie beim Wafer Level Packaging (WPL), welche den Einsatz umweltschädlicher Chemikalien reduzieren und Stoffkreiskreisläufe etablieren bzw. bereits bestehende verlängern zu können. Dazu haben die Forschenden verschiedene Prozesse der Halbleiterfertigung analysiert, um ausgewählte Chemikalien durch nachhaltige Materialien zu ersetzen:
- die Reinigung von Through Silicon Vias (TSV Clean),
- das Nassätzen (Wet Etching) von metallischen Keimschichten (Seed Layer) wie Kupfer/Titan und Siliziumdioxid und
- die Entfernung von Fotolack auf Wafern (Photo Resist Stripping).
Die Keimschicht ist in der Galvanotechnik eine dünne Schicht, die bei der elektrochemischen Abscheidung als Kristallisationskeim und Haftungsgrundlage auf einem Substrat dient. Sie muss elektrisch leitfähig, aber nicht zwingend geschlossen sein.
Die nicht bedruckten Bereiche des Fotolacks werden entfernt, wodurch das Metall freigelegt wird, das anschließend weggeätzt wird. Beim Nassätzen wird mit Hilfe von chemischen Lösungen festes Material der Schicht in flüssige Verbindungen umgewandelt.
Die Forschenden des Fraunhofer IZM-ASSID haben mit Hilfe der Werkstoff-Sicherheitsdatenblätter (Material Safety Data Sheets = MSDS) die chemikalischen Stoffe identifiziert, die gefährlich für Mensch und Umwelt sind und idealerweise ersetzt werden sollten.
Entwicklung nachhaltiger Alternativen zur Fluorpolymerentfernung in Through Silicon Vias (TSVs)
Zur Entfernung von Fluorpolymeren aus Through Silicon Vias (TSVs) werden branchenüblich Nachätzmittel verwendet. Diese weisen eine gute Reinigungsleistung auf, enthalten jedoch gefährliche chemische Bestandteile. So enthält beispielsweise EKC265 von DuPont die Additive Hydroxylamin, Brenzcatechin und Hydrochinon, die gemäß der REACH-Verordnung als krebserregend registriert sind.
Brenzcatechin ist zudem mutagen und für Wasserorganismen sehr schädlich. Das Abwasser muss separat behandelt und sorgfältig entsorgt werden. »Obwohl diese Chemikalie für die Halbleiterfertigung sehr gut geeignet ist, ist ihre Handhabung sehr aufwendig und mit negativen Auswirkungen für die Umwelt und Gesundheit behaftet«, führt Dr. MaksymMyndyk aus.
Die Substitution einer Prozesschemikalie ist mit zahlreichen Herausforderungen verbunden. »Die Chemikalie, die wir bisher für den Reinigungsprozess der TSVs verwenden, ist ideal dafür geeignet und in der Fertigung etabliert«, erläutert Dr. Myndyk. Ist ein Fertigungsprozess etabliert, werden in der Regel alle Produktionsprozesse eingefroren. Eine Veränderung eines bestehenden Prozesses ist sehr kosten- und zeitaufwendig. Hinzukommt dessen Neubewertung, da möglichweise im weiteren Verlauf der Produktion negative Auswirkungen auf die Produktqualität auftreten können.
»Die Herausforderung bei der Suche nach nachhaltigen Alternativen besteht darin, dass diese sowohl bioakkumulierbar und CMR-frei (C = carcinogen – krebserzeugend, M = mutagen – erbgutverändernd und R = reproduktionstoxisch – fortpflanzungsgefährdend) sein sollten als auch hochwirksam und kosteneffizient«, erklärt Dr. Myndyk. Er verantwortet die Entwicklung und Etablierung neuer Prozesse in der Halbleiterfertigung und Untersuchung der vorhandenen Prozesse am Fraunhofer IZM-ASSID. Zu seinem Spezialgebiet zählt die Reinigung von Wafern. Er erläutert: »Die Reinigung der TSVs ist entscheidend, um Probleme bei den nachfolgenden Prozessen zu vermeiden.« Ein neu entwickelter Ersatzstoff ist beispielsweise TechniClean BOS 390 von Technic France. Laut Sicherheitsdatenblatt (SDB) ist dieser ungiftig, nicht brennbar und eine nukleophile Mischung.

TSV-Prozessablauf | © Fraunhofer IZM-ASSID
Das Green ICT-Projekt ermöglichte den Forschenden am Fraunhofer IZM-ASSID, neue Prozesschemikalien auf der 200/300mm Wafer-Pilotlinie auszutesten. Als Experte für die Reinigung von Wafern arbeitet Dr. MaksymMyndyk täglich mit EKC265 und ist sich dessen Toxizität bewusst. »Einerseits bin ich sehr daran interessiert, das Gesundheitsrisiko an meinem Arbeitsplatz zu minimieren. Die derzeit verwendeten Chemikalien sind für die Operator und Umwelt extrem gefährlich«, fasst der Wissenschaftler zusammen. »Anderseits bot uns das Green ICT-Forschungsprojekt die Gelegenheit, verschiedene Chemie-Lieferanten zu kontaktieren und Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu erörtern.« Dr. Myndyk beschreibt dies als Win-Win-Situation.
Die Forscher des Fraunhofer IZM-ASSID ersetzten den EKC265 durch den TechniClean BOS 390 und testeten zwei Reinigungsverfahren. Um sicherzustellen, dass die Chemie passt, wurden die beiden am Fraunhofer IZM-ASSID verbreitetsten TSV-Designs verwendet: TSV 260 x 80 µm und TSV 100 x 10 µm. Hierzu fand eine Zusammenarbeit mit der amcoss GmbH statt, die auf Megasonic-Technologie von ProSys spezialisiert sind.
Ein Megasonic-Wandler koppelt akustische Energie in einen mit Flüssigkeit gefüllten Spalt, der durch das Substrat und die Wandlerfläche gebildet wird. Die Form und das Design des Resonators gewährleisten eine gleichmäßige akustische Dosierung über die gesamte Oberfläche des rotierenden Substrats ohne Abtastbewegung.
»Der Weg bis zum sauberen Wafer war sehr lang und nicht einfach«, fasst Dr. Myndyk zusammen. Für jede der beiden Reinigungsmethoden ist eine große Anzahl an Parametern zu definieren und festzulegen: Test-Wafer vorbereiten, DoE fahren und analysieren, ob noch die Rückstände noch vorhanden sind. Unterschiedliche Aspektverhältnisse der TSVs, also wie tief sind diese geätzt und wie breit ist ihre Öffnung, müssen einzeln evaluiert werden. Wie sich der Reinigungsprozess bei anderen Designs verhält, müsste jeweils getestet und analysiert werden. Um Chemikalien zu ersetzen, ist die Auseinandersetzung mit den jeweiligen Fertigungsprozessen, Strukturen und Designs zwingend vorausgesetzt. Forschenden haben aufgezeigt, dass es Alternativen und Techniken gibt. »In unserem Fall haben wir die Chemie von Technik evaluiert und diese für zwei Designs ausgewertet. Es hat funktioniert. Persönlich finde ich, dass ist ein sehr gutes Ergebnis.«
Wenn sich nach dem Bosch-Prozess (reaktiven Silizium-Ionentiefenätzen) auf der Oberfläche des Silizium-Wafers noch Fotolack befindet, muss dieser entfernt werden. TechniClean BOS 390 kann in einem Prozessschritt als Stripper und TSV Reiniger verwendet werden. Schließlich wurden sowohl der Photoresist auf der Waferoberfläche als auch die Fluorpolymere aus TSV vollständig entfernt. Die Analyse der Haftung ergab, dass diese Chemikalie sehr gut geeignet ist. In einem nächsten Schritt wird gemeinsam mit der Kunde des Endprodukts komplett neu evaluiert.
260 x 80 µm TSV clean: Die gereinigten Wafer wurden an mehreren Stellen mit dem Rasterelektronenmikroskop (SEM) untersucht. Insbesondere wurden die Wände und der Boden der TSV auf mögliche Rückstände untersucht. | © Fraunhofer IZM-ASSID
Die gleiche Methode wurde für TSV 10:1 Strukturen verwendet. Der Beweis, dass die TSV-Wände fluorpolymerfrei sind, sind die erkennbaren geätzten »Strukturen« (»Scallops«). | © Fraunhofer IZM-ASSID
In einer Online Expert Session Ende 2023 präsentierte Dr. Maksym Myndyk erste Testergebnisse für ein neues nachhaltiges Material zur Reinigung von TSVs aus Fluorpolymer, das mit dem DRIE-Verfahren (Bosch-Plasmaätzen) hergestellt wurde. Mittlerweile liegen neue Ergebnisse vor. Es wurden PE-TEOS und Seed Layer wie z.B. Metall, Titan und Kupfer auf die gereinigten Wafers aufgebracht. Die Wafer war genauso prozessiert wie bei der Pilotfertigung und von den Wafern wurden Querschnitte gemacht und jeder Mikrometer von oben nach unten die TSV analysiert, um festzustellen, wie gut die Haftung ist und ob es Hohlräume gibt oder Delaminationen stattfinden. So konnte eine gute Haftung zwischen dem gereinigten Silizium und Siliciumdioxide bestätigt werden.
»Für uns am Fraunhofer IZM-ASSID haben wir damit die Lösung gefunden«, fasst Dr. Myndyk zusammen. Bis die Pilotfertigung am Fraunhofer IZM-ASSID jedoch umgestellt und EKC265 ersetzt werden kann, sind Gespräche mit den aktuellen Kooperationspartnern und weitere praktische Versuche notwendig. Für den neuen Reinraum am Center for Advanced CMOS & Heterointegration Saxony ist die Anschaffung einer zweiten Reinigungsanlage geplant. Dort soll die Chemietechnik zum Einsatz kommen. »Unser Ziel ist, die neue Maschine nicht mehr mit EKC265 zu befüllen.«
Zusammenarbeit zur Entwicklung umweltfreundlicher Prozesschemikalien zur Fotolackentfernung in der Mikrochip-Produktion
Bei der Herstellung von integrierten Schaltkreisen (»Mikrochips«) ist die Fotolithografie eine Schlüsseltechnologie. Bei diesem Verfahren wird mit Hilfe eines Belichtungsprozesses das Bild einer Fotomaske auf einen lichtempfindlichen Fotolack übertragen. Fotolacke dienen als temporäre lithografische Maske für Strukturierungsschritte. Die belichteten Stellen werden anschließend aufgelöst. »Das Entfernen der Lackmaske soll möglichst schnell und rückstandsfrei erfolgen. Gleichzeitig darf weder das Substrat noch die bereits darauf abgeschiedenen Materialien angegriffen werden«, beschreibt Dr. Myndyk den Vorgang.
Bisher wird am Fraunhofer IZM-ASSID ein etabliertes Lösungsmittel zur Entfernung von Fotolacken auf den Waferoberflächen verwendet. »Dieser Remover funktioniert sehr gut, hat jedoch das Problem, dass er ein gefährliches Additiv enthält, das genauso giftig wie Flusssäure ist«, führt Dr. Myndyk aus. Im direkten Kontakt mit der Haut ist eine kleinste Menge bereits tödlich.
Das Fraunhofer IZM-ASSID hat mit einem führenden Chemieunternehmen kooperiert und einen noch in der Entwicklung befindlichen TMAH-freien (Tetramethylammoniumhydroxid) und umweltfreundlichen Stripper analysiert. Die Forschenden haben Wafer mit einer Kupfer-Seed, Fotolack und Kupfer-ECD Pillars vorbereitet. Die erste Generation eines noch in der Entwicklung befindlichen Strippers wurde auf einer Semitool Strip/Etch-Anlage getestet, um den Fotolack zu entfernen. Bei der Analyse der Waferoberfläche auf mögliche Rückstände zeigte sich jedoch, dass die Abtragsrate des Kupfers zu hoch war, was für die Fertigung von sehr feinen Strukturen kontraproduktiv ist. In Rücksprache mit dem Partnerunternehmen wurde die zweite Generation des Removers weiterentwickelt, um die Kupfer Abtragrate zu optimieren.In einem nächsten Schritt wurden Testwafer mit unterschiedlichen Lacken, RDL-Strukturen und Kupfer-Pillars gestrippt. Dr. Myndyk bestätigt, dass dies bis auf eine Ausnahme bisher sehr gut funktioniert.
»Im Gegensatz zu den großen Halbleiter-Fabs sind wir in der Lage, auf unseren Produktionsanlagen neue Chemikalien auszutesten«, beschreibt Dr. Myndyk die Kernkompetenz des Forschungsinstituts. In Absprache mit den Chemikalienlieferanten kann die jeweilige Chemikalie bei Bedarf verändert und erneut evaluiert werden. »Wir helfen den Herstellern, und diese helfen dem Fraunhofer IZM-ASSID. Eine Win-Win-Situation für beide Seiten und die Umwelt!« Alle am Fraunhofer IZM-ASSID getesteten Prozesse laufen auf industriellen Anlagen. So wird sichergestellt, dass Kunden später diese Prozesse schnell auf eigene Anlagen übertragen können.








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