Hochminiaturisierte konforme Beschichtungen für das Packaging neuronaler Implantate

Headerbild NerveRepack | © Fraunhofer IZM I Francis Viebeck

Vom Gehirn zur Bewegung: Die Rolle neuronaler Implantate in Prothesen

Neuronale Implantate der nächsten Generation werden eine direkte Kommunikation mit dem Nervensystem ermöglichen. Im Gegensatz zu pharmazeutischen Therapien minimieren sie Nebenwirkungen und eröffnen neue Behandlungsmöglichkeiten für arzneimittelresistente Erkrankungen. Bisher werden Elektronikimplantate wie z.B. Herzschrittmacher mit einem hermetisch dichten Gehäuse aus Titan oder Keramik versehen. Diese Gehäuse sind jedoch groß und unflexibel, was eine direkte Integration in feines und weiches Nervengewebe erschwert.

Das Gehäuse distal zu platzieren und die Elektroden zur Behandlungsstelle zu führen, hat seine Grenzen, da diese Elektroden zu Ausfällen neigen und Gegenstand viel beachteter Rückrufaktionen der Hersteller waren. Es ist nicht möglich, bestehende Lösungen zu miniaturisieren und näher am Gewebe zu platzieren. Der Grund dafür ist, dass das hermetische Gehäuse hart ist. Diese Härte kann zu potenziell schädlichen mechanischen Fehlanpassungen am weichen Gewebe führen. Für sichere und zuverlässige Mikrosystemimplantate in menschlichem Gewebe sollten diese genauso weich und flexibel sein wie das umgebende Gewebe.

Expert*innen für Bioelektronik am Fraunhofer IZM erforschen daher verschiedene nicht-hermetische Verkapselungslösungen für implantierbare Elektronik, beispielsweise die Atomlagenabscheidung von Parylene C in Verbindung mit Dünnschichtkeramiken (Al2O3 & TiO2). Die Expertise der Bioelektroniker*innen fließt in das Forschungsprojekt »NerveRepack« ein. Ein Konsortium aus 27 europäischen Partnern arbeitet an intelligenten Prothesen mit neuronalen Implantaten. Im Fokus des Projekts stehen eine Prothese für Patient*innen mit Unterarmamputation sowie zwei Exoskelette für ein- und beidseitige Lähmung der unteren Gliedmaßen.

Die Kombination aus Prothese und neuronalen Implantaten soll eine bidirektionale Kommunikation ermöglichen. Die Idee dahinter ist, dass die Bewegungsimpulse nicht nur an die Prothese übertragen werden, sondern auch Informationen an das Gehirn zurücksenden. Bei der Unterarmprothese soll diese Kommunikation für ein taktiles Feedback sorgen. Die Exoskelette sollen motorische Befehle von Spinalnerven lesen und Sensorrückmeldungen von den Füßen integrieren, um das Gangbild der Patient*innen zu optimieren und einen möglichst flüssigen Bewegungsablauf zu ermöglichen.

Die NerveRepack-Prothese wird in der Lage sein, drahtlos mit einem Implantat zu kommunizieren, das Signale an Nerven im Arm sendet und von diesen empfängt. Diese bidirektionale Kommunikation wird Patient*innen eine intuitivere Nutzung und eine größere Autonomie ermöglichen. Das Bild wurde mit Biorender.com erstellt. © Fraunhofer IZM
Die NerveRepack-Prothese wird in der Lage sein, drahtlos mit einem Implantat zu kommunizieren, das Signale an Nerven im Arm sendet und von diesen empfängt. Diese bidirektionale Kommunikation wird Patient*innen eine intuitivere Nutzung und eine größere Autonomie ermöglichen. Das Bild wurde mit Biorender.com erstellt. © Fraunhofer IZM

Die NerveRepack-Prothese wird in der Lage sein, drahtlos mit einem Implantat zu kommunizieren, das Signale an Nerven im Arm sendet und von diesen empfängt. Diese bidirektionale Kommunikation wird Patient*innen eine intuitivere Nutzung und eine größere Autonomie ermöglichen. Das Bild wurde mit Biorender.com erstellt. | © Fraunhofer IZM

Dr. Joshua Wilson, verantwortlich für das Bioelektronik-Labor am Fraunhofer IZM, lud das RealIZM-Blogteam im zu einem exklusiven Videorundgang ein. Dabei erklärt er, mit welchen innovativen Packagingtechnologien das Fraunhofer IZM das Projekt »NerveRepack« unterstützt und worauf es bei nicht-hermetischen Verkapselungen für implantierbare Elektronik ankommt.

© Fraunhofer IZM

Innovative Lösungen für den Einsatz von Bioelektronik im menschlichen Körper

»Das Innere des menschlichen Körpers ist durch Feuchtigkeit, Salz und mechanische Belastungen eine äußerst ungünstige Umgebung für elektronische Bauteile«, erklärt Dr. Joshua Wilson, Bioelektronik-Experte am Fraunhofer IZM. Diese komplexen und dynamischen Bedingungen führen dazu, dass Salze und Wasser Korrosion der leitenden Materialien verursachen, was Implantate versagen lässt. Immunreaktionen können zusätzlich das Implantat schädigen oder mit Narbengewebe umhüllen, was die Wirksamkeit stark einschränkt.

Bisher sind hermetisch dichte Gehäuse aus Titan oder Keramik der Standard für Elektronikimplantate. »Wir beobachten jedoch einen Paradigmenwechsel. Um Implantate sicher im menschlichen Gewebe zu integrieren, müssen sie weich, flexibel und miniaturisiert sein. Wir erforschen daher innovative nicht-hermetische Packaging-Lösungen für elektronische Bauteile, um den Einsatz miniaturisierter implantierbarer medizinischer Geräte zu ermöglichen«, erläutert Wilson den Forschungsschwerpunkt der Bioelektronik-Arbeitsgruppe am Fraunhofer IZM. »Unser Ansatz beim Projekt ›NerveRepack‹ beruht auf Dünnfilmbeschichtungen, die dünner als ein menschliches Haar sind und das Gesamtvolumen des Implantats kaum erhöhen.«

Keramiken bieten im Körper eine hermetische, stabile Barriere, sind jedoch hart und spröde. Polymere hingegen sind flexibel und weich, nehmen jedoch Feuchtigkeit und Ionen auf. Um die Vorteile beider Materialien zu kombinieren, verfolgen die Wissenschaftler*innen des Fraunhofer IZM einen mehrschichtigen Ansatz: Die Keramikschichten blockieren das Eindringen von Feuchtigkeit, während die Polymerschichten Flexibilität gewährleisten. Diese sind dick genug, um als mechanischer Puffer zu fungieren, der die Ausbreitung von Defekten verhindert und den Weg für potenziell eindringende Feuchtigkeit verlängert.

NerveRepack | © Fraunhofer IZM I Francis Viebeck

© Fraunhofer IZM I Francis Viebeck

Fortschrittliche Dünnfilmtechnologien für Implantate

Zur Herstellung der Struktur wird nur eine Maschine genutzt. So wird die Kontamination durch den Transfer von Proben zwischen verschiedenen Geräten vermieden.

Charakteristisch für Parylene C sind:

  • Biokompatibilität der Klasse VI
  • geringe Wasserdurchlässigkeit und
  • hervorragende Isolationseigenschaften.

Hinzu kommt, dass Parylene C in einem Verfahren bei Raumtemperatur abgeschieden wird.

Die Abscheidung beginnt mit einem Dimer in Pulverform, der erhitzt und in Monomere aufgespalten wird und auf allen Oberflächen in der Kammer zu einem Polymer kondensiert. Für die Herstellung der Keramiken wie Aluminiumoxid und Titanoxid nutzen die Wissenschaftler*innen des Fraunhofer IZM das Verfahren der Atomlagenabscheidung.

Dabei wird die Kammer mit verschiedenen Vorläufersubstanzen gefüllt, die jeweils eine atomare Schicht hinterlassen, so dass präzise abwechselnde Schichten aus Metall und Sauerstoff entstehen. Um die Haftung zu verbessern und die chemische Bindung an das Substrat zu verstärken, werden Sauerstoffplasma und Silanbehandlungen eingesetzt.

Im Rahmen des NerveRepack-Projekts werden diese Beschichtungen eingehend auf ihre Stabilität in feuchter Umgebung und ihre Biokompatibilität in Zellkulturen getestet, bevor sie am Menschen verwendet werden.

Links: Dimer in Pulverform | © Fraunhofer IZM I Francis Viebeck
Rechts: Halter für die zu beschichtenden Substrate | © Fraunhofer IZM I Volker Mai

Joshua Wilson | © Fraunhofer IZM I Francis Viebeck

Dr. Joshua Wilson

Dr. Joshua Wilson ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IZM, wo er seit 2020 an der Entwicklung von Verfahren zur Mikrofabrikation, Montage und Verpackung von weichen neuralen Implantaten arbeitet. Er leitet das »Technologies for Bioelectronics Lab« und ist verantwortlich für das Schreiben von Förderanträgen für EU-Projekte sowie für die Zusammenarbeit mit Unternehmen.

Zuvor war er von 2018 bis 2019 an der University of Manchester tätig und forschte dort an Niederspannungs-Dünnschichttransistoren, die auf Oxid-Halbleitern basieren. Dr. Wilson hat an der University of Manchester in Nanowissenschaften promoviert und dabei Schottky-Übergänge in Dünnschichtgeräten untersucht. Seinen Master in Mathematik schloss er an der University of Nottingham mit Auszeichnung (First Class Honours) ab.

Katja Arnhold, Fraunhofer IZM

Katja Arnhold

Katja Arnhold ist redaktionell verantwortlich für den RealIZM-Blog des Fraunhofer IZM.

Katja hat 20 Jahre Erfahrung in der Unternehmenskommunikation und im B2B-Marketing. Sie arbeitete u.a. für zwei private Wetterdienstleister und den Weltmarktführer für alkoholische Premium-Getränke. Sie studierte Kommunikations- und Medienwissenschaften, Betriebswirtschaftslehre und Psychologie an der Universität Leipzig, hat einen Masterabschluss und ist Mitglied im Leipziger Public Relations Studentenverband (LPRS).

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