Die Schulungsvideos des Projektes "Green ICT@FMD" präsentieren Themen rund um die grüne Informations- und Kommunikationstechnik | © Fraunhofer IZM | Francis Viebeck

Expert:innenwissen auf einen Klick: Schulungsvideos zu grüner Elektronik

RealIZM-Blog-Serie „Green ICT“ – Teil 1

Wie präsentiert man das komplexe Thema »Umweltauswirkungen von Elektronik« für ein breites Publikum, ohne den wissenschaftlichen Anspruch zu verlieren? Wie kam es dazu, dass Forschende des Fraunhofer IZM regelmäßig Schulungsvideos über ressourcenbewusste Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) produzieren? Jana Rückschloss, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung »Environmental and Reliability Engineering«, lud das RealIZM-Team hinter die Kulissen der Videoproduktionen für das Projekt »Green ICT @ FMD« ein und erklärt, wie Schulungsvideos zu grüner Elektronik entstehen.

Zum Einstieg: Warum ist das Thema »Umweltauswirkungen von Elektronik« wichtig? 

Jana Rückschloss: Bei dem Thema Umweltauswirkungen denken sehr viele Menschen zunächst immer noch an giftige Lacke und dass Autofahren und Fliegen umweltschädlicher sind als Fahrradfahren oder der öffentliche Nahverkehr. Dass die Produktion und Nutzung von elektronischen Geräten ein wesentlicher Treiber für den Klimawandel sind, ist vielen leider noch nicht bewusst.

Tagtäglich werden Millionen von Elektrogeräten z.B. Computer, Fernseher und Smartphones genutzt. Würde sich die Energieeffizienz dieser Geräte um ein paar Prozent verbessern, dann hätten wir auf die EU gerechnet ein immenses Einsparpotenzial. Auch die Produktion und die weit verzweigten Lieferketten von Elektronikgeräten spielen eine große Rolle. Der initiale Aufwand des Energie- und Ressourcenverbrauchs, elektronische Geräte herzustellen, ist meistens deutlich größer als während ihrer Nutzungsphase.

Kannst du dies an einem Beispiel illustrieren?

Ein Beispiel aus dem Fairphone Impact Report: Das gesamte Fairphone 4 liegt bei 43 Kilogramm CO2 Äquivalenten für die Herstellung. Ein Apfel der 200 Gramm wiegt, im Vergleich, benötigt nur rund 20 Gramm CO2 Äquivalente. Das heißt wir haben bei Lebensmitteln tendenziell weniger CO2 Äquivalente in der Herstellung als das Ausgangsgewicht des Produktes. Bei Elektronik ist das umgekehrt. Durch längere Nutzung unserer elektronischen Geräte leisten wir also einen aktiven Beitrag zur Einsparung von Klimagasen. 

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, Schulungsvideos über grüne Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) zu produzieren? 

Jana Rückschloss: Unsere Schulungsvideos entstehen im Rahmen des Forschungsprojektes »Green ICT @ FMD«. Unter der Federführung der Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland (FMD) baut das Fraunhofer IZM gemeinsam weiteren Partner:innen ein Kompetenzzentrum für nachhaltige Elektronik auf. An erster Stelle stand die Idee, unseren Projektpartner:innen mit Hilfe unserer Videos einen schnellen Einstieg und Überblick in das Thema nachhaltige Elektronik zu geben. Dank der kompakten Länge und Informationsvermittlung können wir die Videos sowohl in der Lehre einsetzen als auch zur Wissensvermittlung an Umweltbeauftragten, Umweltmanager:innen und Entscheidungsträger:innen in Unternehmen und der Öffentlichkeit nutzen.

Mit welchen Herausforderungen wart bzw. seid ihr bei der Erstellung der Videos konfrontiert? 

Jana Rückschloss: Für uns Forschende ist es wichtig, unser Fachwissen so zu präsentieren, dass trotz der Kürze der Videos die Komplexität unserer Themen nicht verloren geht. Die Balance zu finden zwischen wissenschaftlichem Anspruch und der Produktion von knackigen Wissenshappen in 10 Minuten ist immer wieder herausfordernd. In der Wissenschaftskommunikation hilft es, beispielsweise mit Vergleichen zu arbeiten, um Sachverhalte besser zu visualisieren. Dies macht ein Thema unter Umständen wissenschaftlich angreifbar.

Welches Ziel verfolgt ihr mit den Schulungsvideos?

Jana Rückschloss: Neben der Weiterbildung anderer Forschenden sehen wir unsere Videos auch als Starthilfe für Unternehmen an. Wir geben einen Überblick zu den gesetzlichen Umweltanforderungen mit denen Firmen konfrontiert sind. In den übergreifenderen Videos geben wir Einblicke, an welchen Stellen und wie Design- und Produktionsprozesse von elektronischen Bauteilen und Geräten umweltgerecht gestaltet werden können. Otmar Deubzer erläutert beispielsweise die Grundlagen der Stoffregulierung durch die »Richtlinie 2011/65/EU zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten«. Auch bekannt unter der Abkürzung RoHS (Restriction of Hazardous Substances).

Zur Grünen Elektronik gehört auch die dazugehörige Umweltgesetzgebung. In diesem Green ICT-Video erklärt Otmar Deubzer, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Environmental and Reliability Engineering am Fraunhofer IZM, die Grundlagen der REACH-Verordnung. REACH steht für »Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals«. | © Video: @Fraunhofer-IZM

Das Thema Nachhaltigkeit nimmt in der Kommunikation der Unternehmen und in der Öffentlichkeit immer mehr Raum ein. Als lockerer Gesprächseinstieg zum Smalltalk ist das Thema eher schwierig. Welchen kommunikativen Beitrag leisten eure Videos? 

Jana Rückschloss: Aufgrund von verschiedenen Gesetzgebungsverfahren werden Unternehmen verpflichtet, sich mit den Umweltauswirkungen ihres Handelns auseinanderzusetzen und Prozesse anzupassen. Gleichzeitig verändert sich auch unsere Gesellschaft. Der Fokus auf das Thema Nachhaltigkeit in unserem Alltag nimmt zu.  Dieses gesteigerte Interesse der Öffentlichkeit erleichtert uns den Einstieg in die Kommunikation. Es ist klar, dass unsere Videos keine ausführliche Beratung oder Durchführung, beispielsweise einer Lebenszyklusanalyse, ersetzen. Vielmehr unterstützen sie Projektverantwortliche und Entscheidungsträger:innen, in ihren Unternehmen mit den richtigen Fragen zum Thema »Umweltauswirkungen« loszulaufen und nachhaltige Veränderungen anzustoßen.

Auf welche ausgewählten Themenbereiche konzentriert ihr euch in den Videos?  

Jana Rückschloss: Unsere Abteilung »Environmental and Reliability Engineering« am Fraunhofer IZM ist inhaltlich sehr breit aufgestellt. Unsere Kernthemen sind die Umweltgesetzgebung, die Bewertung von Umweltauswirkungen (produktbezogen und systemisch) sowie das Design und die Entwicklung nachhaltiger elektronischer Produkte. An unserer Videoreihe sind Kolleg:innen aus all unseren Fachrichtungen beteiligt. Es ist uns wichtig, dass unsere Expert:innen ihr jeweiliges Forschungsgebiet persönlich vorstellen. Somit geben wir einen tiefen Einblick in die Themenvielfalt unserer Arbeit und speziell in das Forschungsprojekt »Green ICT @ FMD«. 

Franziska Maisel, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erläutert in zwei Videos beispielsweise den Aufbau und die Funktionsweise von Batterien, worin sich die einzelnen Batterietypen unterscheiden, wie sich der Batteriemarkt und seine Anwendungen entwickeln, welche Probleme bei Rohstoffen für Batterien auftreten können und warum Batterierecycling wichtig ist.

Hans Walter, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Leiter des Labors »Micromaterials Testing« gibt einen Einblick in den Forschungsbereich »Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit von Elektronik«. Dabei zeigt er auf, wie diese beiden Themen zueinanderpassen, und erörtert, ob es grüne Zuverlässigkeit gibt und inwiefern zuverlässige Produkte auch nachhaltig sind.

Batterien finden sich in vielen elektronischen Geräten in unterschiedlichsten Größen und Zusammensetzungen. In diesen zwei Videos gibt Franziska Maisel vom Fraunhofer IZM einen Überblick über das Thema Batterien, welche gesetzlichen Richtlinien mit ihrer Herstellung, Nutzung und Entsorgung verbunden sind, ihre Zusammensetzung sowie die bestmöglichen Recyclingstrategien. | © Video: @Fraunhofer-IZM

Damit Elektronik wirklich nachhaltig sein kann, muss sie nicht nur fehlerfrei laufen, es müssen sich auch die einzelnen Hersteller aufeinander verlassen können. Diesen Zusammenhang zwischen Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit erklärt Hans Walter vom Fraunhofer IZM in diesem Beitrag der Schulungsreihe Green ICT. | © Video: @Fraunhofer-IZM

Bauen die Videos aufeinander auf?

Jana Rückschloss: Unsere Videoreihe ist nicht linear konzipiert. In den Beschreibungen der einzelnen Videos geben wir Hinweise, welche Filme thematisch zusammengehören. Auch die Vortragenden verweisen auf weiterführende Themen. Unsere Videos sind einer von vielen Bausteinen, um Kompetenzen rund um nachhaltige Elektronik zu vermitteln. Das Fraunhofer IZM bietet beispielsweise auch 1 bis 2-stündige Green ICT Online-Schulungen an, in denen ausgewählte Themen vertiefend vorgestellt und diskutiert werden. Langfristig soll unser Schulungsangebot Teil der Mikroelektronik-Akademie der FMD werden.

Welche Aufgabe spielt das Fraunhofer IZM bei der Produktion der Videos? 

Jana Rückschloss: Das Fraunhofer IZM ist für die Produktion der Schulungsreihe alleinverantwortlich zuständig. Ich persönlich koordiniere die Konzeption, die Erstellung der Drehbücher, den Videodreh und die Postproduktion. Uns kommt zugute, dass wir bereits über Vorerfahrungen im Bereich Video und im Haus über ein Videostudio verfügen. Einen Film zu erstellen ist Teamarbeit – vor und auch hinter der Kamera. An dieser Stelle möchte ich vor allem unseren FÖJ-lern Conrad Chisolm und Luca Tritto danken. Beide haben sich sehr schnell in die Videoproduktion eingearbeitet und unterstützen uns, unsere Dreharbeiten und die Nachbereitung kontinuierlich zu verbessern. Ein besonderer Dank gilt auch unserer Videografin Francis Viebeck, die uns jederzeit mit Rat und Tat bei allen Fragen zum Videostudio zur Seite steht.

Ihr habt mittlerweile über 10 Videos produziert. Was sind eure größten Erkenntnisse? 

Jana Rückschloss: Eine der wichtigsten Erkenntnisse ist: Eine sehr gute Vorbereitung ist das A und O. Sie erleichtert allen Beteiligten die Arbeit beim Dreh und in der Postproduktion. Manchmal müssen wir Kolleg:innen erst überzeugen, sich vor die Kamera zu stellen. Dies setzt eine vertrauensvolle Zusammenarbeit voraus. Es gilt: Wir veröffentlichen nur Aufnahmen, mit denen sich die jeweilige Person wohlfühlt. Gemeinsam entwickeln wir vorab einen roten Faden für den Film und geben Feedback.

Die Schulungsvideos entstehen intern am Fraunhofer IZM. Gemeinsam mit ihren Kolleg:innen arbeitet Jana Rückschloss daran, dass diese nicht nur informativ und kurzweilig, sondern auch fachlich korrekt sind. | © Fraunhofer IZM | Francis Viebeck

Wie kam es dazu, dass ihr euch für ein kurzes Videoformat entschieden habt? 

Jana Rückschloss: Alles begann mit einer internen Umfrage. Wir haben versucht herauszufinden, welche Wissenschaftsformate unsere Kolleg:innen auf Video-Plattformen bevorzugen. Warum sie sich welche Formate gern anschauen bzw. was sie davon abhält? Dieses Feedback haben wir ausgewertet und als Basis für unser Konzeptgenutzt. Eine immer wieder kehrende Antwort war, dass die Menschen kurze Videoformate bevorzugen.

Vielen Dank für das Gespräch!


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